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PREISVERLEIHUNG „KUNST AUF ABWEGEN“ – REDEN VON MARKO SCHACHER                                           Oktober 2013

 

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2. Platz:

Der in Leonberg geborene und in Markdorf lebende Künstler und Kunsterzieher Matthias Keller darf getrost als Multitalent bezeichnet werden.

Wer ein wenig im Internet oder in Ausstellungskatalogen herumstöbert, kann auch Zeichnungen, Skulpturen, Rauminstallationen und Performances von ihm finden.

Genau wie die beiden anderen Preisträger hält Matthias Keller offensichtlich nichts vom Schubladendenken mancher Kunsthistoriker, die zwischen „figurativ“ und „gegenstandslos“ oder zwischen „Realismus“ und „Idealismus“ unterscheiden, und scheint sich gerade im Niemandsland zwischen den vermeintlichen Stilen wohl zu fühlen.

Seine gemalten Figuren und Räume gaukeln uns durch ihre geradezu greifbare Plastizität eine tatsächliche Welt vor, deren Realitätsgehalt durch die grelle Farbigkeit und unser Wissen um die Unmöglichkeit der Zusammenstellungen zeitgleich zerstört wird. Dass Matthias Keller eine Vorliebe für das sogenannte „Absurde Theater“ hat, verwundert kaum, gleichen seine Bildfindungen doch grotesk-komischen, irrealen Szenen, in denen sich

die Einheiten der Zeit, der Handlung und des Ortes auflösen. „Je länger die Leute dran puzzeln müssen, desto länger schauen sie ein Bild an“, hat mir Matthias Keller vor ein paar Tagen gesagt. Und „Es ist viel wichtiger, Fragen zu stellen, als Fragen zu beantworten“. Wo er recht hat, hat er recht.

Nackte, vermeintlich primitive Ureinwohner turnen auf modernen Architekturgebärden herum. Ein Seiltänzer präsentiert mit Miniaturgebäuden bepackten Zeitgenossen wie die Balance zwischen Mobilität und Beständigkeit herzustellen ist. Oft reflektiert Matthias Keller in seinen Werken die gesellschaftliche Relevanz der Kunst und des Künstlers. Kunsthistorisch vorbelastete Besucher erkennen in den Gemälden Seitenhiebe auf die Inkunabeln der Bildenden Kunst. Das „Eismeer“ von Caspar David Friedrich, das von der Fachwelt gemeinhin als Darstellung des Scheiterns interpretiert wird, erblickt bei Matthias Keller als kaleidoskopartig in bunte Kuben aufgefächerte abstrakte Form das Licht der Leinwand und bildet den Bezugspunkt zu einer futuristisch anmutenden Frauenfigur, die darauf zu eilt und zu einem Künstler, der seinen Pinsel und seine Maler-Palette wegzuwerfen scheint. Der Protagonist eines anderen Gemäldes scheint gerade von seiner Staffelei auf den Boden gedrückt, ja möglicherweise sogar von ihr erschlagen worden zu sein, während ein Kollege mit gebeugter Haltung in Richtung Edward Hopper-Bar tingelt bzw. zu einer aufs

Wesentlichen reduzierten Darstellung von dessen Gemälde „Nighthawks“.

Wer eindeutige Aussagen von Gemälden bevorzugt, und eine eindeutige Antwort auf die klassische Fragestellung „Was will uns der Künstler damit sagen?“ erwartet, wird vor den Gemälden von Matthais Keller wohl nicht glücklich. Alle anderen schon. Wobei ich gerne zugebe, dass es mich selber regelrecht nervös gemacht hat, dass ich nicht darauf gekommen bin, welches große Selbstbildnis der Kunstgeschichte Kellers mit roter

Designerbrille und Glatze ausgestatteter Maler da gerade als Bild im Bild malt. Eine dezente Nachfrage beim Künstler hat mich auf Gustave Courbets Selbstportrait gebracht, das den Titel „Der Verzweifelte“ trägt. Wobei Matthias Keller Courbets Bart einfach weg gelassen hat. Und unklar lässt, warum ein Maler das Selbstbildnis eines anderen Malers

malt. Vielleicht weil er neidisch auf dessen Haarpracht ist? Wer weiß…

 

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